24. November, EICMA – Mailand, Italien – Royal Enfield hat heute mit der Vorstellung des „Project Origin“, einem originalgetreuen, funktionierenden Nachbau des ersten „Motorfahrrades“ der Marke, ein wichtiges Kernstück seiner Projekte zur Feier des 120-jährigen Bestehens vorgestellt. Genau diese Maschine bildete das Fundament, auf dem Royal Enfield sein fortdauerndes Vermächtnis des „reinen Motorradfahrens“ aufgebaut hat.
Der berühmte Slogan der Marke „Seit 1901“ zeigt, wie wichtig das Konzept des Erbes und Reichtums der Vergangenheit für Royal Enfield ist, und das „Project Origin“ verkörpert diese Haltung voll und ganz. Das Jahr 1901 ist auch in der Motorradwelt sehr bedeutsam, denn Royal Enfield ist somit der älteste Motorradhersteller, der bis heute produziert.
Die Idee zum „Project Origin“ entstand, nachdem Gordon May, der Unternehmenshistoriker von Royal Enfield, die Design- und Ingenieurteams von Royal Enfield im Rahmen einer historischen Präsentation zur Feier des 120-jährigen Jubiläums der Marke vor eine schwierige Aufgabe gestellt hatte. Ein Teil der Präsentation drehte sich um den allerersten Prototypen eines Royal Enfield Motorfahrrades, das 1901 gemeinsam von dem Franzosen Jules Gobiet und dem Mitbegründer und Chefdesigner von Royal Enfield, Bob Walker Smith, entwickelt worden war. Weil die junge Motorradindustrie noch nicht hinreichend etabliert war, um ihre eigene Ausstellung zu veranstalten, wurde der Prototyp im November 1901 auf der Stanley Cycle Show in London präsentiert. Dies war das erste Mal, dass eine zweirädrige, motorbetriebene Royal Enfield der Öffentlichkeit gezeigt wurde.
Bisher wurde aber noch kein funktionierendes Modell dieses ursprünglichen Motorfahrrades gefunden, und somit fehlte ein wichtiges Teil des historischen Puzzles von Royal Enfield. Es gab keine existierenden Baupläne oder technischen Zeichnungen, die brauchbare Hinweise auf die Konstruktion des Motorfahrrades hätten geben können. Alles, was es gab, waren ein paar zeitgenössische Fotografien, einige Werbeanzeigen und ein paar illustrierte Zeitungsartikel von 1901, die einige grundsätzliche optische Hinweise und Informationen darüber lieferten, wie das Motorfahrrad ausgesehen und funktioniert haben könnte. Der Umfang der Beweise, auf die man sich stützen konnte, war bestenfalls spärlich, aber das machte die schwierige Aufgabe, die dem Royal Enfield Team gestellt worden war, umso spannender – konnte der allererste Teil der Royal Enfield DNA zur Begehung eines so bedeutsamen Jubiläums rekonstruiert werden?
Schnell wurde ein Team von engagierten Royal Enfield Volontären zusammengestellt, das sich auf eine Entdeckungsreise machte, um in den Geschichtsbüchern so viele Informationen und so viel altes Wissen wie möglich über die Pionierzeit der motorisierten Zweiräder ausfindig zu machen. In Zusammenarbeit der Teams in den technischen Zentren von Royal Enfield UK und Indien sowie mit Harris Performance und anderen Experten aus der Motorrad-Oldtimer-Community nahm die Schatzsuche nach allen Teilen des Konstruktions-Puzzles an Fahrt auf.
Es war von Anfang an völlig klar, dass Aspekte wie die Mechanik, Technik und Ergonomie des ursprünglichen Royal Enfield Motorfahrrades Welten von den heutigen Motorrädern entfernt waren. Einer der offensichtlichsten Unterschiede bestand in der Einbaulage des 1,75-PS-Motors, der über dem Vorderrad am Lenkkopf befestigt war und das Hinterrad über einen langen, überkreuzten Rohlederriemen antrieb. Jules Gobiet hoffte, dass der Antrieb des Hinterrades das bei Werner-Motorrädern mit Vorderradantrieb häufig auftretende seitliche Rutschen verringern würde. Im Gegensatz zu den meisten anderen Motoren war das Kurbelgehäuse der Royal Enfield horizontal geteilt. Dies verhinderte die verheerenden Folgen, die auf das Vorderrad tropfendes Öl aus undichten, vertikal geteilten Kurbelgehäusen haben konnte.

Ein Longuemare-Sprühvergaser befand sich an der Seite des Benzintanks etwas unterhalb des Zylinderkopfes des Motors. Eine zweite Zuführung zweigte vom Auspuff ab und verlief um die Mischkammer des Vergasers herum, um den Kraftstoff zu erwärmen und so eine Vereisung zu verhindern. Bei der Schmierung handelte es sich um eine Verlustschmierung: der Fahrer spritzte über eine Handölpumpe, die sich auf der linken Seite des Zylinders befand, eine Ladung Öl in das Kurbelgehäuse. Dieses verbrannte nach 15 bis 25 Kilometern, woraufhin eine weitere Ladung Schmiermittel erforderlich wurde. Der Zylinderkopf beherbergte ein mechanisches Auslassventil und ein automatisches Einlassventil. Das Einlassventil wurde durch eine schwache Feder geschlossen gehalten und durch Unterdruck geöffnet. Sobald sich der Kolben im Zylinder abwärts bewegte, öffnete sich das Einlassventil, so dass eine Ladung Luft-Kraftstoff-Gemisch in den Zylinder gelangte. Ein Unterbrecher an der steuerungsseitigen Achse löste eine Schwingspule aus, die eine schnelle Folge von Impulsen an die Zündkerze sandte. Dies führte zu einer guten Verbrennung trotz sehr niedriger Drehzahlen.
Das Starten der Maschine erforderte die Betätigung der Fußpedale, und sobald der Motor zündete, wurde der Vergaser per Handhebel auf der rechten Seite des Benzintanks von der Leerlaufstellung bis zur Vollgasstellung geöffnet. Es gab keine Drosselklappe – die Geschwindigkeit wurde durch einen Ventilstößel reguliert, der mit einem Hebel am Lenker geöffnet wurde. Um zu verlangsamen, betätigte der Fahrer diesen Ventilstößel. Dadurch wurde das Auslassventil geöffnet, und weil nun kein Unterdruck mehr im Zylinder herrschte, blieb das automatische Einlassventil geschlossen, und es strömte kein Luft-Kraftstoff-Gemisch in den Zylinder. Sobald der Fahrer das Auslassventil schloss, öffnete sich das Einlassventil und der Motor zündete wieder. Daher konnte ein Beobachter denken, dass der Motor periodisch aussetzte, obwohl der Fahrer lediglich seine Geschwindigkeit veränderte.
Das Vorderrad verfügte über eine Bandbremse, die mittels Bowdenzughebel und -kabel mit der linken Hand des Fahrers betätigt wurde. Das Hinterrad verfügte ebenfalls über eine Bandbremse, die jedoch durch Rückwärtstreten der Pedale betätigt wurde. Der Sattel war ein Lycette La Grande aus Leder und die 26-Zoll-Räder waren mit 2×2-Zoll-Clipper-Reifen ausgestattet. Es kostete genau 50 Pfund, was in heutigem Geld umgerechnet 4.000 Pfund/4.745 Euro entspricht.
Mit all diesen zusammengetragenen Hintergrundinformationen lag es dann in der Verantwortung des „Project Origin“-Teams, die Technologien der neuen Welt mit den Fertigkeiten und Praktiken der alten Welt zu kombinieren, um von Grund auf mit der vollständigen Rekonstruktion einer originalgetreuen Nachbildung zu beginnen. Als der Bau Gestalt annahm, wurde schnell deutlich, wie viel handwerkliches Geschick und Fachwissen für die Herstellung bestimmter Teile des Motorrades erforderlich waren. Eines der komplexesten und schwierigsten Elemente war die Konstruktion des gefalteten Messingtanks, der in meisterhafter Handarbeit aus einem einzigen Messingblech gefaltet, geformt, gehämmert und gelötet wurde, wobei uralte Werkzeuge und Techniken zum Einsatz kamen, die in der modernen Fertigung von heute nahezu in Vergessenheit geraten sind.
Der Rohrrahmen des Motorfahrrades wurde vom Harris Performance Team fachmännisch aus Messing gefertigt, ebenso wie eine Reihe von handgearbeiteten Messinghebeln und -schaltern. Der Motor wurde von Grund auf neu gebaut, und da es keine Entwürfe oder technischen Diagramme gab, auf die man sich beziehen konnte, musste das Team die wenigen verfügbaren Fotos und Illustrationen von 1901 genau studieren, um CAD-Entwürfe für jedes Bauteil zu entwickeln, die dann entweder einzeln von Hand gegossen oder aus einem Block gefräst wurden.
Außerdem drechselte das Team die Holzgriffe von Hand, fertigte die vorderen und hinteren Bandbremsen und ließ den Vergaser vollständig neu bauen. Die beschafften Originalteile aus der Zeit der Jahrhundertwende, wie die Petroleumlampe, die Hupe, der Ledersattel, die Räder, wurden alle generalüberholt und vernickelt, um den Eindruck zu erwecken, dass das fertige „Project Origin“-Motorfahrrad auf der Stanley Cycle Show 1901 zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, so wie es genau diesen Monat vor 120 Jahren der Fall gewesen wäre.

„Project Origin“ stellt ein weiteres bahnbrechendes Kapitel in der glanzvollen Geschichte von Royal Enfield dar, die von jahrzehntelanger Kreativität, Entwicklung, Erfindungsgabe und Widerstandsfähigkeit geprägt ist. Was im Jahr 1901 mit dem charmanten, langsam drehenden, Tuff-tuff-Motor des allerersten Motorfahrrades begann, legte die Grundlagen für ein außergewöhnliches Abenteuer, das schon seit 120 Jahren andauert.
Auf der EICMA 2021 können sich Motorradfans mit Royal Enfield auf eine epische, geschichtsträchtige Reise begeben: „Royal Enfield Through The Ages“ lässt das 120-jährige, reiche und prestigevolle Vermächtnis der Marke durch die individuellen Geschichten einiger ihrer kultigsten Motorräder aus jedem Jahrzehnt ihres Bestehens lebendig werden.